Wir erleben eine sehr intensive Zeit, was die Fanszene angeht. Fußball ohne Fans ist tot. Daher müssten wir einen Weg finden, wie man wieder sicher in die Stadien gehen kann. Unsere Vorsitzende vom unseren Fanclubverband gab am 22.08.2016 ein Interview der Frankfurter Neuen Pressen. Wir finden, es ist ein lesenswerter Beitrag.
Deswegen veröffentlichen wir ihn auch. Viel Spaß beim Lesen!
Interview mit der Fanclubverband-Vorsitzenden Ina Kobuschinski
Kommenden Samstag startet die Bundesliga: Über die Erwartungen der Eintracht-Fans, deren Sorgen, den Umbruch im Verein, den Kommerz und die Gewalt im Fußball hat Redakteur Sebastian Semrau mit Ina Kobuschinski gesprochen. Sie ist die Vorsitzende des Eintracht-Frankfurt-Fanclubverbands. Das Interview ist vor dem Spiel in Magdeburg geführt worden.

KOBUSCHINSKI: Er wirkt auf mich sehr professionell. Ich war mal beim Training, und das hat mir sehr gut gefallen. Da war Zug drinnen. Er hat das im Griff.
Also aus Ihrer Sicht mal wieder eine langfristige Lösung?
KOBUSCHINSKI: Ja, aber wenn es nicht passt, dann passt es nicht. Für mich war es unverständlich, Armin Veh zurückzuholen, der im Jahr vorher noch davon sprach, dass es hier keine Perspektiven gibt.
Heribert Bruchhagen ist nun auch nicht mehr da. Neuer Sportvorstand ist Fredi Bobic. Ihm blies von Fanseite mächtig Gegenwind entgegen. Wie bewerten Sie diese Personalie?
KOBUSCHINSKI: Er ist jetzt Angestellter von Eintracht Frankfurt, und dann sollte er das verkörpern, was der Verein vertritt. Er hat Aussagen zu Red Bull getroffen (Bobic bezeichnete RB Leipzig als Bereicherung für die Liga und sprach von Tradition, Anm. der Redaktion ), die uns nicht gefallen haben – und Eintracht Frankfurt sicher auch nicht. Uns ist wichtig, dass er auch unsere Seite kennt und vertritt. Wir haben miteinander gesprochen, und ich denke, dass er das verstanden hat. Denn Eintracht Frankfurt sind auch wir.
In der 1. Liga spielen mehrere Clubs, hinter denen eine Person oder ein Unternehmen steht – Hoffenheim mit Dietmar Hopp, Wolfsburg mit VW und nun Leipzig mit Red Bull. Was ist das Problem mit Leipzig?
KOBUSCHINSKI: Das ist ein gemachter Club, der uns allen stinkt. Er entspricht nicht den Regularien für Vereine, wurde aber vom DFB durchgewunken. Die hätten das verhindern können.
Also Ihnen wäre es lieber, in der 1. Liga etwa gegen Nürnberg oder Kaiserslautern zu spielen?
KOBUSCHINSKI: Sicher. Die haben ein anderes Fanpotenzial. Mir ist es lieber, es ist ein Gegner im Stadion, der unterstützt wird, und nicht, wenn wie gegen Wolfsburg ein paar Hanseln kommen.
Sehen Sie denn eine Möglichkeit, dieses Rad noch einmal zurückzudrehen?
KOBUSCHINSKI: Ich fürchte nicht. Aber die Regularien müssen verschärft werden, dass keine Sponsoren oder Personen einen Club übernehmen können. Es geht darum, wie eigenständig Vereine bleiben.
Wie würden denn die Eintracht-Fans reagieren, wenn hier ein Scheich käme und Millionen Euro zuschießt?
KOBUSCHINSKI: Es gibt sicher Leute, die das gut fänden. Aber ich würde es ablehnen. Weil so jemand möchte Einfluss nehmen, vielleicht Farben oder Logo ändern. Wir aber möchten unsere Tradition bewahren. Eintracht Frankfurt soll Eintracht Frankfurt bleiben, auch wenn das eine Gratwanderung ist.
Aber die Unterstützung für den Verein aus der Stadt Frankfurt dürfte schon größer sein. Man hat immer den Eindruck, dass man von der Bankenmetropole spricht, aber die Eintracht bei den Etats immer bei den ärmeren Schluckern zu finden ist, wenn auch nicht ganz am Ende.
KOBUSCHINSKI: So wenig ist die Unterstützung nicht. Aber den einen oder anderen Sponsor mehr könnte die Eintracht gebrauchen. Das Stadion ist ja fast immer voll.
Fehlt es den Fans an Identifikationsfiguren? Jetzt ist quasi nur noch Alexander Meier übrig.
KOBUSCHINSKI: Das schon. Aber als Fan wünsche ich mir auch eine attraktive Mannschaft, bei der man gerne zum Spiel fährt. Vergangenes Jahr war das deprimierend. Ich habe alle Spiele gesehen, und da haben wir uns oft angeschaut und gefragt, was wir hier machen.
Wohin soll sich der Verein in Bezug zu seinen Fans entwickeln?
KOBUSCHINSKI: Wir sind auf gutem Wege. Wir sprechen miteinander und arbeiten gut zusammen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Das ist aber auch richtig so.
Die Saisoneröffnungsfeier wurde von Fans boykottiert, weil es zu viel um den Kommerz ging. Teilen Sie diese Meinung?
KOBUSCHINSKI: Ja, es waren nur wenige Fanclubs und aktive Fans da. Wir verstehen zwar, dass Eintracht Frankfurt die Möglichkeit nutzt, sich mit seinen Werbepartnern zu präsentieren. Aber für uns war da kein Raum. Wir werden nun mitarbeiten, dass sich etwas verändert. Wir brauchen einen eigenen Platz, nicht in irgendeiner Ecke.
Wenn man von den Eintracht-Fans spricht, kommen immer zwei Bilder hoch. Eine große Gruppe, die Stimmung macht, andererseits aber auch immer wieder hässliche Szenen . . .
KOBUSCHINSKI: Ob ich das jetzt als hässlich bezeichnen würde.
Was im Vorjahr gegen Darmstadt passiert ist, war nicht hässlich?
KOBUSCHINSKI: Das Verbrennen der Banner schon. Es ist eine gewisse Aggressivität da. Und das macht es bei einem Derby ja auch aus. Die Stimmung war toll. Aber es gibt Leute, die gewisse Grenzen ein bisschen überschreiten.
Da ist die interne Meinung sicher anders als die des DFB.
KOBUSCHINSKI: Wie das der DFB sieht, ist aus Fansicht nicht relevant. Der versucht, den ganzen Support zu unterbinden.
Gibt es mit dem DFB im Gegensatz zum Verein keine Gespräche?
KOBUSCHINSKI: Nein, der Verband weigert sich seit Jahren, sich mit den Fanszenen auseinanderzusetzen. Da geht es nicht nur um Frankfurt, sondern um die halbe Liga. Die Traditionsvereine haben alle Probleme mit dem DFB.
Gibt es Kontakt untereinander?
KOBUSCHINSKI: Die Ultras haben Kontakt. Wir auch – als Kurve haben wir zusammen nun eine Rechtshilfe gegründet. Die heißt „der 13. Mann“. Bei uns soll es nicht nur um Probleme mit der Polizei gehen, sondern auch um Mobbing, Schulden und Sucht. Da sind wir ein guter Anprechpartner, weil wir näher an den Leuten dran sind. Natürlich geht es auch um Rechtshilfe gegen Polizeimaßnahmen, weil man sich da mehr wehren muss. Das hat gerade das Rückspiel gegen Darmstadt gezeigt.
Sie meinen dieses Stadtverbot für Eintracht-Fans?
KOBUSCHINSKI: Genau, da sind wir gegen vorgegangen. Aber das war einfach. Das Verbot war klar rechtswidrig. Die Politik schießt da gerne übers Ziel hinaus.
Aber in Stadien passieren immer noch zu viele negative Dinge, die nicht sein müssten.
KOBUSCHINSKI: Das sehe ich anders. Bei jedem größeren Fest hier in Frankfurt hat man mehr Kloppereien als im Stadion. Wenn man sich die Zahlen anguckt: Wir haben hier immer fast 50 000 Menschen, und es passiert fast nichts. Der DFB sagt, es sind Ausschreitungen, wenn Pyrotechnik gezündet wird. Ich will das nicht schönreden. Es ist verboten. Aber das sind keine Ausschreitungen. Das ist, wenn sich geschlagen wird. Ich finde, dass sich der Polizeiapparat zu sehr auf den Fußball eingeschossen hat. Beim Spiel in Bremen standen sechs Wasserwerfer – völlig überzogen.
Und das in Bremen, wo die Stadt Rechnungen für Polizeieinsätze an die Deutsche Fußball-Liga schickt…
KOBUSCHINSKI: Genau. Da würde ich mich dagegen wehren. Da haben handelnde Personen zu wenig Ahnung von der Materie.
Pyrotechnik haben Sie angesprochen. Das Thema wird immer wieder heiß diskutiert.
KOBUSCHINSKI: Es wurde schon vor Jahren mit dem DFB diskutiert, und der hat signalisiert, dass man sich einigen könnte. Aber auf einmal wurden die Gespräche abgebrochen. Das finde ich traurig.
Wie könnte eine Lösung aussehen?
KOBUSCHINSKI: Das ist sicher nicht einfach. Aber der DFB könnte sich den Fans gegenüber mal offener zeigen und deren Wünsche berücksichtigen. Natürlich ist es gefährlich, wenn mitten im Block gezündet wird. Aber das wird ja nur gemacht, weil es woanders nicht erlaubt wird. Früher hieß es noch, wie toll das aussieht und wie super die Stimmung in Südeuropa ist.
Dass es woanders schlimmer ist und früher toll aussah, sind aber doch schlechte Argumente …
KOBUSCHINSKI: Das ist richtig. Aber irgendwo muss man Kompromisse eingehen.
Und wie soll dieser aussehen?
KOBUSCHINSKI: Es könnte spezielle Flächen geben. Die Feuerwehr ist ja da. Ob das jetzt ein Bereich ist oder zur Choreographie vor dem Block und vor dem Spiel, müsste man sehen. Vielleicht auch in den untersten Reihen, wo keiner steht. Aber statt zu reden, wird derzeit ja sogar bestraft, wenn kritische Spruchbänder aufgehängt werden. Dabei kam beim DFB im vergangenen Jahr nun wirklich genug raus.
Sie haben sich schon mehrfach gegen Kollektivstrafen ausgesprochen, die vom DFB verhängt werden. Warum?
KOBUSCHINSKI: Wir haben ein Rechtssystem. Wenn jemand etwas anstellt, dann muss er dafür gerade stehen. Aber sie können doch nicht eine ganze Fanszene bestrafen. Man erreicht nichts, wenn man wie jetzt gegen Schalke einen ganzen Block rauswirft. Da ist der Block 40 gesperrt, und die Leute haben damit nur einen Hals, aber man erreicht nichts. Außer, der DFB will damit eine Spaltung der Kurve erreichen.
Davon spricht der DFB aber nicht. Er setzt vielmehr auf Selbstreinigung in den Blocks.
KOBUSCHINSKI: Die findet schon statt. Man spricht miteinander und sagt, was man nicht so toll findet. Das Verbrennen des Banners gegen Darmstadt hat uns auch nicht gefallen, und wir haben das gesagt. Einen Platzsturm etwa haben die Ultras verhindert. Das begrüße ich sehr. So etwas soll es nicht geben.
An welcher Stelle müssen sich denn aus Ihrer Sicht die Fans hinterfragen?
KOBUSCHINSKI: Für mich machen wir schon genug. Mir fehlt, dass sich der DFB hinterfragt. Wir führen Gespräche, wie man etwas ändern kann. Der DFB verteilt nur Strafen – unsinnige Strafen.
Wie ist denn der Fanclubverband, den es erst seit gut zwei Jahren gibt, zustande gekommen?
KOBUSCHINSKI: Die Eintracht hat uns gebeten, aus dem Fansprecher-Gremium, das es seit mehr als zehn Jahren gibt, etwas Festeres zu machen. Als eingetragener Verein können wir Verträge abschließen und rechtlich anders auftreten. Das hat sich bewahrheitet.
Wo soll dieser Verband denn hingeführt werden?
KOBUSCHINSKI: Wir wollen uns weiter professionalisieren und eigenständig bleiben. Mit Eintracht Frankfurt haben wir einen guten Partner. Wir brauchen dem Verein nicht nach dem Mund reden, aber wir würden nie etwas tun, was dem Verein schadet. Dass wir vor dem Darmstadt-Spiel geklagt haben, ist ein Beispiel, wo Eintracht Frankfurt nur schwer hätte aktiv werden können. Sie fanden es aber gut.
Gab es da Kommunikation?
KOBUSCHINSKI: Natürlich. Wir reden immer. Und wir reden mit allen. Das ist hier in Frankfurt so. Unsere Fanclubs sollen dabei aber eigenständig bleiben. Das wollen wir so und ist uns ganz wichtig, auch wenn wir gewisse Dinge vorgeben.